"Bregenzer Judith von Shimoda weiß zu überzeugen", titelten die Salzburger Nachrichten nach der Uraufführung, die auch vom Publikum mit viel Applaus bedacht wurde.
Nach den großen Erfolgen der letzten Spielzeiten mit seinen Multimedia-Opern Le Malentendu und Les Rois Mages entwickelte Fabián Panisello seine neue Oper Die Judith von Shimoda nach einem Libretto von Juan Lucas, das auf Bertolt Brechts Bühnenstück fußt - ein Text mit wiederum ganz eigener Geschichte:
1929 veröffentlichte der japanische Autor Yūzō Yamamoto das Stück Nyonin Aishi, Tōjin Okichi Monogatari, ein Drama nach der wahren Geschichte der Japanerin Okichi Saito. Diese war als junge Frau aus diplomatischen Erwägungen dazu gedrängt worden, dem ersten Konsul der USA in Japan als Geisha zu dienen und wurde in der Folge aus der Gesellschaft verstoßen - und anschließend angesichts ihres als patriotisch wahrgenommenen Handelns als Heldin verehrt. Der Text gelangte in englischer Übersetzung 1940 in Bertolt Brechts Hände, als er während seines Exils drei Monate auf dem Landgut der finnischen Schriftstellerin Hella Wuolijoki verbrachte.
Brechts Mitarbeiterin Margarete Steffin übersetzte den Text ins Deutsche; danach bearbeitete Brecht zusammen mit Wuolijoki das Stück für eine in Europa funktionierende Bühnenfassung, die allerdings zu Brechts Lebzeiten nicht zustande kam. In seinem Nachlass wurden lediglich fünf fertiggestellte Szenen anstatt der elf geplanten gefunden. Eine finnische Übersetzung der fehlenen Szenen fand sich in Hella Wuolijokis Nachlass - die zusammengestellte Gesamtfassung aus diesem Material von Hans Peter Neureuter erschien 2006 im Suhrkamp Verlag, nachdem die von Brecht hinterlassenen Teile schon 1997 erstmals am Berliner Ensemble auf die Bühne gekommen waren.
In Fabián Panisellos Lesart der Judith von Shimoda - mit dem Titel setzte Brecht die Figur der Okichi mit der alttestamentarischen Judith gleich - überträgt der Komponist den für Brecht charakteristischen Verfremdungseffekt auf klangliche Mittel. Mittels eines eigens entwickelten Klangraumsystems werden verschiedene akustische Räume erzeugt, in denen - in der Inszenierung von Carmen Kruse - acht Solist:innen sowie der Wiener Kammerchor und das amadeus ensemble wien agieren. Die Geschichte der Okichi wird als Erzählung über die Verteidigung der Würde des Individuums gezeigt, verkörpert durch eine bemerkenswerte Frau, die geistig ausgelöscht wird durch die Gleichgültigkeit eines Staates, der nur seine eigenen pragmatischen Interessen verfolgt, und durch eine Gesellschaft, der es an grundlegendem Respekt gegenüber Frauen fehlt.
Im Anschluss an die beiden Aufführungen am 17. und 19. August in Bregenz ist die Ko-Produktion mit der Neuen Oper Wien am 2., 4., 7. und 9. November 2023 im Wiener Theater Akzent zu erleben.