Thomas Köcks „Reise sprachstromabwärts ins Herz der Finsternis des europäischen Kolonialismus als Ursprung eines weltumspannenden Kapitalismus“ (Christine Dössel, Süddeutsche Zeitung) hatte 2021 an den Münchner Kammerspielen für Furore gesorgt. Die „poetische, bezirzende, hoch musikalisch zusammenkomponierte Sprache“ war schon in dieser Inszenierung auf viel Live-Musik getroffen.
Nun setzte Johannes Maria Staud den vielschichtigen Stoff in eine Oper um. Die Inszenierung des Werkes, das beim Kunstfest Weimar aus der Taufe gehoben und bis zum 21. Dezember in sechs Aufführungen am Deutschen Nationaltheater Weimar gezeigt wird, übernahm Andrea Moses, die schon bei Johannes Maria Stauds Oper Die Weiden nach einem Libretto von Durs Grünbein an der Wiener Staatsoper Wien Regie geführt hatte. Die Staatskapelle Weimar spielt unter der Leitung von Andreas Wolf; die Live-Elektronik wird vom SWR Experimentalstudio umgesetzt.
Im brasilianischen Dschungel sind im 16. Jahrhundert – Werner Herzogs Aguirre gleich – Konquistadoren unterwegs, die rücksichtslos Menschen und Natur unterwerfen auf der Suche nach einem vermeintlichen Eldorado. Im Amerika unserer Tage grassiert mit der Opioidkrise eine menschengemachte Epidemie, der die Mittelschicht in ihren Vorortsiedlungen zum Opfer fällt. Ein blinder Seher blickt aus der Zukunft auf die einst „Neue Welt“ zurück. Aus der missa in cantu, die sich hier als szenisches Requiem, als oratorischer Abgesang auf unsere Lebensweise offenbart, wird missing in cantu, das Verlorensein im Gesang.
Kunstfest Weimar
Deutsches Nationaltheater Weimar