Die Komische Oper eröffnet ihre kommenden Spielzeiten jeweils mit einer großen Produktion an einem ungewöhnlichen Ort. Den Anfang macht Tobias Kratzers Inszenierung von Henzes Das Floß der Medusa, die bis zum 2. Oktober unter der musikalischen Leitung von Titus Engel zu sehen ist - eine Zusatzvorstellung ist aufgrund des großen Publikumsinteresses für den Mai 2024 geplant.
Hans Werner Henzes bewegendem Werk liegt eine historische Tragödie zugrunde: 1816 entsandte der französische König Ludwig XVIII. vier Schiffe, um wieder die Herrschaft über die Kolonie Senegal anzutreten, die von den Briten zurückgegeben werden sollte. Die Medusa, an deren Bord sich Soldaten ebenso wie geladene Gäste befanden, lief auf ein Riff; Offiziere und Gäste wurden in den Rettungsbooten in Sicherheit gebracht. Die übrigen 149 Personen der Mannschaft wurden auf einem Floß untergebracht, das zunächst von den Booten geschleppt wurde. Um die Rettung zu beschleunigen, ließ der Kommandant jedoch die Taue kappen; wenige der Zurückgelassenen überlebten.
Der französische Maler Théodore Géricault hielt das Ereignis in einem eindrücklichen Gemälde fest, das bei seiner Ausstellung 1819 für einen Skandal sorgte. In Hans Werner Henzes 150 Jahre später entstandenem Oratorium lässt sich die Geschichte auch heute schwerlich als eine rein historische Begebenheit lesen. Wer kappt heute die Taue?
Komische Oper Berlin