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Mark Andre greift mit einer solchen Intensität nach der Stille, dass einem die Ohren zu platzen drohen. Berliner Zeitung, 23.1.2018
Der 1964 in Paris geborene Komponist Mark Andre schafft in seiner Musik existentielle Erfahrungsräume, die von subtilen Veränderungsprozessen geprägt sind. Im Zentrum seines Denkens steht die Frage nach dem Entschwinden, die sich auf alle musikalischen Parameter wie Klang, Form und Sujet beziehen. In seinen ebenso feinen wie konzentrierten Kammermusiken und auch in seinen Orchester- und Musiktheaterwerken erweist sich der gläubige Protestant als sensibler Klangforscher.
Mark Andre hat nach seinem Studium in Frankreich, das er unter anderem in Paris bei Claude Ballif und Gérard Grisey absolvierte, in Deutschland eine neue musikalische Heimat gefunden. Seine Begegnung mit der Musik von Helmut Lachenmann, dessen Partitur für das Klavierkonzert Ausklang ihm eher zufällig in die Hände geraten war, beschreibt er als Offenbarung. In der Folge absolvierte er ein weiterführendes Kompositionsstudium bei Lachenmann in Stuttgart sowie ein Studium der Musikelektronik bei André Richard im Experimentalstudio des SWR. Schon bald wurde er mit Stipendien und Preisen wie dem Kranichsteiner Musikpreis (1996), dem 1. Preis des Internationalen Kompositionswettbewerbs Stuttgart (1997) und dem Kompositionspreis der Oper Frankfurt (2001) ausgezeichnet; seit 1998 lehrt er regelmäßig als Dozent bei den Darmstädter Ferienkursen. 2002 erhielt er den Förder-preis der Ernst von Siemens Musikstiftung, und 2005 ging er als Teilnehmer des Künstlerprogramms des DAAD nach Berlin, wo er seitdem lebt.
Besondere Aufmerksamkeit wurde Mark Andre 2004 für die Uraufführung seines dreiteiligen Musiktheaterwerks ...22,13... bei der Münchener Biennale zuteil. Ähnlich wie der Titel dieses Werkes, der sich auf eine Textstelle im Johannes-Evangelium bezieht, verweist auch der Name seines 2007 komplettierten Triptychons für Orchester auf ein religiöses Thema: In ...auf... erforschte Mark Andre den Aspekt des Übergangs in der Auferstehung Christi. Ein Faible für Präpositionen als grammatische Funktionselemente des Übergangs zeigt er auch in zahlreichen anderen Werktiteln wie den zwischen 2001 und 2005 entstandenen Kammermusiken ...durch..., ...zu..., ...in... und ...als... Mark Andres erste Oper wunderzaichen wurde unter der Leitung von Sylvain Cambreling zu einem Höhepunkt der Stuttgarter Opernsaison 2013/2014 und war dort 2018 in einer revidierten Fassung wieder zu sehen.
Zu den wichtigen Werken des letzten Jahrzehnts gehört das Klarinettenkonzert über, geschrieben für Jörg Widmann und das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg und bei den Donaueschinger Musiktagen ausgezeichnet mit dem Orchesterpreis. Das Violinkonzert an wurde 2016 beim Kölner Musikfestival ACHT BRÜCKEN von Carolin Widmann aus der Taufe gehoben; 2018 folgte …hin… für Harfe und Kammerorchester in Witten. Auch die Trilogie Riss, deren einzelne Teile für das Ensemble Modern, das Ensemble Musikfabrik und das Ensemble intercontemporain geschrieben wurden, zählt zu den großen Werken der letzten Zeit. Sein Orgelwerk iv15 himmelfahrt begeisterte bei der Uraufführung im Oktober 2018 in München in der Werkfassung für elektronische Registertraktur, ehe es 2019 mit mechanischer Registertraktur in Bad Frankenhausen aufgeführt wurde. 2018/19 entstanden als Auftrag des Berliner Scharoun Ensembles die Drei Stücke für Ensemble, die an der Berliner Philharmonie und an der Elbphilharmonie erklangen. Ebenfalls 2019 kam im Rahmen des Lucerne Festivals iv 17 für Sopran und Klavier zur Uraufführung. wohin, ein Werk für Harfe und Ensemble, wurde 2021 durch das Ensemble intercontemporain in der Philharmonie de Paris zur Uraufführung ge-bracht und 2022 erneut im Pierre Boulez Saal Berlin interpretiert. Beim Musikfest Berlin stand 2021 das 40minütige Kontrabass-Solostück iv 18 „Sie fürchteten sich nämlich“ auf dem Programm, das dem-nächst auch auf CD veröffentlicht wird. Die von Frank Reinecke gemeisterte Uraufführung war eingebettet in einen zweiteiligen Konzertabend mit Pierre-Laurent Aimard mit fünf Klavierwerken von Mark Andre. Im Mai 2022 war der Zyklus rwh mit fünf Hannoveraner Chören und dem Ensemble Modern im Rahmen der KunstFestSpiele Herrenhausen und im Anschluss in der Elbphilharmonie Hamburg zu hören, gefolgt von rwh2 mit der Gaechinger Cantorey und dem ensemble ascolta beim Musikfest Stuttgart.
In die aktuelle Saison startete Mark Andre mit der Uraufführung seiner Sieben Stücke für Streichquartett durch das Kuss Quartett an der Elbphilharmonie. Bei den Rainy Days an der Philharmonie Luxembourg dirigierte Brad Lubman das Orchestre Philharmonique de Luxembourg die Uraufführung der Vier Echographien für Orchester. Im Februar 2023 brachten Ilya Gringolts und das RSO Wien unter Markus Poschner das Violinkonzert an zur österreichischen Erstaufführung. Das Orchesterwerk Im Entschwinden wird im März vom Orchestre de Paris unter der Leitung von Klaus Mäkelä am Musikverein Wien aus der Taufe gehoben, wo Mark Andre in dieser Spielzeit als Fokuskünstler in zahlreichen Konzerten vertreten ist; die deutsche Erstaufführung folgt an der Elbphilharmonie. Gegen Ende der aktuellen Saison kommt beim IRCAM-Festival ManiFeste in der Philharmonie de Paris Dasein 1 für Ensemble und Elektronik mit dem Ensemble intercontemporain zur Uraufführung; das Stück bildet den Auftakt eines neuen Ensemble-Triptychons.
Mark Andre ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin, der Sächsischen Akademie der Künste sowie der Bayerischen Akademie der Künste und wurde 2011 mit dem Orden Chevalier des Arts et des Lettres ausgezeichnet. 2012 war er Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Er lehrt Komposition an der Musikhochschule in Dresden.
Saison 2022/23
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