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Vom Leben in Situationen katastrophaler Aussichtslosigkeit hin zur Intimität der Liebe: Mit ihrer neuen Oper Heart Chamber vollzieht Chaya Czernowin einen großen thematischen Schwenk weg von den Fragen, die sie in ihrem letzten Musiktheaterwerk umtrieben.
Chaya Czernowin spricht über ihren künstlerischen Werdegang und ihr 2017 entstandenes Cellokonzert.
Anton Koshelev, Sunshower (2023)
Karol Maciej Szymanowski, Metopy »Métopes«. Drei Stücke op. 29 für Klavier (1915)
Chaya Czernowin, fardanceCLOSE
Luigi Nono, ...sofferte onde serene...
Marco Stroppa, Traiettoria (1982–1984)
Anton Gerzenberg, Klavier
Marco Stroppa, Komposition
Chaya Czernowin, Komposition
Chaya Czernowin, Violinkonzert (UA)
Bas Wiegers, Dirigent
Ilya Gringolts, Violine
Dagmar Manzel, Gesang
Münchener Kammerorchester
„Lebendig, intuitiv, wild und so undefiniert wie das reine Erleben – kann Musik das sein? Ich habe solche Musik gehört – selten zwar, aber sie hat mein Leben verändert. Darauf hinzuarbeiten, ist ein schwieriger Balanceakt: Man muss so sensiblen Sinnes sein, als hätte man keine Haut, während man die analytische Klarheit, Präzision und Konzentration eines Chirurgen mit dem Skalpell walten lässt.“
Eine in der unmittelbaren Sinneserfahrung verankerte Musik, die immer wieder durch ein Über- und Ineinander ihrer Elemente das Verhältnis von Gegenwärtigem und Verschüttetem erforscht, kennzeichnet das Schaffen von Chaya Czernowin. Die 1957 in Haifa geborene Komponistin ist geografisch wie musikalisch eine Reisende: Sie erlernte ihr musikalisches Handwerk zunächst bei Abel Ehrlich und Yitzhak Sadai in Israel, ehe sie im Alter von 25 Jahren mit Hilfe eines DAAD-Stipendiums ihre Kompositionsstudien in Berlin bei Dieter Schnebel fortsetzte. In den USA studierte sie danach am New Yorker Bard College und promovierte als Schülerin von Roger Reynolds und Brian Ferneyhough an der University of California San Diego. Während einer anschließenden Phase des Reisens und Komponierens hielt sie sich als Stipendiatin unter anderem in Japan (Asahi-Shimbun-Stipendium, NEA-Stipendium) und Deutschland (Akademie Schloss Solitude) auf.
Chaya Czernowins Werke für Kammer- und Orchesterbesetzungen, die oft auch mit elektronischen Elementen arbeiten, wurden bei den bedeutendsten Festivals für zeitgenössische Musik in Europa, Asien und Nordamerika aufgeführt. Nachdem sie in ihren Kammermusikwerken der 90er Jahre wie Afatsim (1996) und dem Streichquartett von 1995 mit Fragmentierung und instrumentalen Identitäten gespielt hatte, war es ein Musiktheaterwerk, das ihr zum internationalen Durchbruch verhalf: Pnima... ins Innere entstand im Jahr 2000 für die Münchener Biennale und wurde mit dem Bayerischen Theaterpreis sowie als Uraufführung des Jahres (Magazin Opernwelt) ausgezeichnet. In dem auf einer Erzählung von David Grossmann basierenden Stück setzt sich die Komponistin mit der Archäologie des Erinnerns und damit indirekt mit ihrer eigenen Biografie als Tochter zweier Holocaust-Überlebender auseinander. Ihre zweite Oper Adama wurde 2006 von den Salzburger Festspielen anlässlich des 250. Geburtstages von Mozart als Gegenstück zu dessen Singspiel-Fragment Zaïde in Auftrag gegeben und in einer Neufassung 2017 am Theater Freiburg gespielt.
Die etwa zeitgleich begonnene und fortlaufend weitergeführte Reihe ihrer Winter Songs interpretiert das gleiche Septett-Material auf immer wieder neue Weise und schafft so jeweils ein komplett anderes musikalisches Erlebnis. Maim (2001-07) für großes Orchester, Solisten und Elektronik erforscht die Körperlichkeit und Beweglichkeit von musikalischem Material. In HIDDEN für Streichquartett und Elektronik, entstanden 2013/14 und 2016 vom JACK Quartet auf CD vorgelegt, wird eine verlangsamte Zeitwahrnehmung an verzerrte Spiegelungen des Materials gekoppelt.
Mit viel Kritikerlob bedacht wurde ihre Oper Infinite Now, die 2017 unter der Leitung von Titus Engel an der Opera Vlaanderen in Gent uraufgeführt wurde und in Antwerpen, Mannheim und Paris auf die Bühne kam. Basierend auf einer Erzählung der chinesischen Autorin Can Xue sowie Luk Percevals Drama Front, seinerseits nach Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues entstanden, wurde Infinite Now vom Magazin Opernwelt als Uraufführung des Jahres ausgezeichnet. Im gleichen Jahr wurde das Cellokonzert Guardian in Donaueschingen von Séverine Ballon aus der Taufe gehoben und anschließend bei den Rainy Days in Luxemburg sowie bei den Ostrava New Music Days zu Gehör gebracht. Das BBC Scottish Symphony Orchestra unter Thomas Dausgaard brachte 2019 ihr kürzestes Orchesterwerk Once I blinked nothing was the same zur britischen Erstaufführung. Ebenfalls 2019 präsentierte der SWR Habekhi (Das Weinen), ein neues Werk für das Ensemble Experimental, Sänger und Elektronik, bevor ihre Oper Heart Chamber, inszeniert von Claus Guth, an der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Johannes Kalitzke zur Uraufführung kam.
Das Ensemblewerk The Fabrication of Light wurde 2020 vom Ensemble Musikfabrik im Rahmen des Festivals Acht Brücken zur Uraufführung gebracht. Die englische Erstaufführung des Werkes fand im Herbst 2021 im Rahmen des Huddersfield Contemporary Music Festival statt, das Chaya Czernowin zudem als Composer-in-Residence eingeladen hatte. Die Neuen Vocalsolisten brachten 2022 im Rah-men des ECLAT Festivals das „Sound Theatre“ Vena III: Immaterial zur Uraufführung. Das Werk ent-stand als Teil des Vena-Zyklus, dessen zweiter Teil schon im Herbst 2021 bei den Donaueschinger Musiktagen erstmals erklang: Das JACK Quartet interpretierte Unhistoric Acts mit dem SWR Vokalensemble unter der Leitung von Yuval Weinberg. Im Mittelpunkt der vergangenen Saison stand die Uraufführung des Werkes Atara für Sopran, Bariton und großes Orchester, die bei Wien Modern mit Sofia Jernberg, Holger Falk und dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung von Christian Karlsen stattfand; die deutsche Erstaufführung des Werkes folgt im März 2023 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Matthias Pintscher.
In die Saison 2022/23 startet Chaya Czernowin zuvor mit der Uraufführung von Moonwords, dem letz-ten Teil ihrer Trilogie Fast Darkness, beim Ultima Festival in Oslo mit dem Ensemble Temporum. Fast Darkness I, gespielt vom Riot Ensemble und dem Bassklarinettisten Gareth Davis, stand 2020 auf dem Programm von Wien Modern; 2021 hob das Ensemble intercontemporain Fast Darkness II in der Philharmonie de Paris aus der Taufe. Im April 2023 folgt die Uraufführung eines weiteren Ensemble-stücks: Bei der Musik Biennale Zagreb bringt das Klangforum Wien unter Uli Fussenegger Seltene Erde – Alchimia Communicationis zu Gehör.
Das Unterrichten ist für Chaya Czernowin ein wichtiger Prozess, um sich fortwährend kompositorisch weiterzuentwickeln. Regelmäßig war sie in den 90er Jahren bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt als Dozentin zu Gast. Von 1997 bis 2006 lehrte sie Komposition an der University of California San Diego, ehe sie als Professorin an die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien berufen wurde. 2009 folgte der Ruf an die Harvard University, wo sie als Walter Bigelow Rosen Professor of Music nach wie vor lehrt. Von 2003 bis 2017 leitete sie die Internationale Meisterklasse für junge Komponisten, die sie gemeinsam mit dem Leiter der Akademie Schloss Solitude, Jean-Baptiste Joly, und ihrem Ehemann, dem Komponisten Steven Takasugi, gegründet hatte. Auch beim israelischen Festival Tzlil Meudcan unterrichtete sie, ebenso wie weiterhin in vielen internationalen Kursen, den kompositorischen Nachwuchs.
Ihre 2017 bei WERGO erschienene CD The Quiet mit Orchesterwerken wurde mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Weitere Aufnahmen sind bei Mode records, Col Legno, Deutsche Grammophon, Neos, Ethos, Telos und Einstein Records herausgekommen. Chaya Czernowin hat eine Vielzahl an Auszeichnungen erhalten, darunter den Kranichsteiner Musikpreis (1992), den Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung (2003), den Rockefeller Foundation Prize (2004), den Fromm Foundation Award (2008), den Guggenheim Fellowship Award (2011) und den Heidelberger Künstlerinnenpreis (2016). Sie war Composer-in-Residence der Salzburger Festspiele 2005/06 und des Lucerne Festivals 2013. Sie ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin (seit 2017) und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (seit 2021). 2022 wurde sie mit dem Deutschen Musikautor:innenpreis in der Kategorie „Komposition/Musiktheater“ ausgezeichnet. Ihre Werke erscheinen bei Schott.
Saison 2022/23
Wir bitten Sie, diese Biografie unverändert abzudrucken. Auslassungen und Veränderungen sind nur nach Rücksprache mit dem Management gestattet.
Eine Liste aller Werke von Chaya Czernowin finden Sie auf der Internetseite des Schott Verlags.
„Chaya Czernowin ist eine der bedeutendsten lebenden Komponistinnen. Ihr Werk ist vielfältig und groß, ihre Musiksprache radikal und eigen. Ihre vier Opern sind wie Schockwellen für die Gattung. Existenzielle Themen macht sie mit ihren Kompositionen für das Publikum erlebbar und spürbar. Wie keine andere schafft sie es, sich immer weiterzuentwickeln, Neues zu suchen und dabei zugleich einen roten Faden durch all ihre Werke zu ziehen.“
Deutscher Musikautor*innenpreis, Die Jury über Chaya Czernowin, 24.03.2022
"Wohl kaum ein lebender Komponist, eine lebende Komponistin untermauert Goethes Credo, Musik sei flüssige Architektur, besser als Czernowin."
The Guardian, Hugh Morris, 22.11.2021
"...sie lässt seit Jahrzehnten Orchestern und Sänger:innen ihre eigene Musiksprache zufließen, in der sie sich an einer unmöglichen Aufgabe versucht: die Empfindlichkeit des Gehäuteten mit der analytischen Präzision des Chirurgen zu vereinen. (...) Als Künstlerin integriert sie das Ereignis [den Tod von George Floyd], seine verurteilte Atmung, die Worte, das Leiden des Mannes – und das der Frau [die den Vorfall gefilmt hat] – in ihre Musik, ein 55minütiges Denkmal für den letzten Atemzug von Floyd, dem Schwarzen, unterdrückt durch die zusammengequetschte Brust, für den Atemstillstand (ja) und für diese Pandemie, die plötzlich alles auf den Kopf stellte, aber alles (Dinge, Herausforderungen, Todesfälle) unverändert ließ – unsere Gewohnheiten sind tief verankert, einfach – und die Worte sind die der Chorsänger:innen, aus ihrer von der Epidemie betroffenen Welt."
Crescendo Magazine, Bernard Vincken, 26.10.2021
"Chaya Czernowin ist eine wichtige, unverwechselbare Stimme der Neuen Musik auf beiden Seiten des Atlantiks."
The Guardian, Andrew Clements, 18.03.2021
„Die Stärke von "Heart Chamber" ist Chaya Czernowins märchenhaft raffinierte, präzise notierte Partitur, diktiert von einer empfindsamen musikalischen Fantasie, die sich die Verästelungen im Wachsen und Vergehen der Natur für ihr rauschendes Pandämonium der Klänge und Geräusche ausersehen hat. [...] Wer will und kann, denkt an Luigi Nonos Klangmystik, György Ligetis "Atmosphères"-Cluster oder Helmut Lachenmanns verstörende "Mädchen"-Oper. Die Komponistin triumphiert, auch in Ovationen, nach neunzig pausenlosen Minuten.“
Süddeutsche Zeitung, Wolfgang Schreiber, 17.11.2019
„[…] einem räumlichen Erlebnis, das einem den Atem verschlägt. Instrumente erklingen von Orten, wo nie und nimmer Instrumente sein können; Stimmen kommen aus Richtungen, wo kein Sänger je war. Wer was singt und wo die Grenze zwischen instrumentalem und vokalem Klang verläuft – oft ahnt man es kaum. Allein das Klangerlebnis dieses Abends ist ein Ereignis.“
Die Deutsche Bühne, Detlef Brandenburg, 16.11.2019
„Mit ihrer obertonreichen Musik voller Mikrotöne und einem Sinn fürs Verborgene erschafft Chaya Czernowin eine eigene Welt. Ihre Welt. Ihre Musiksprache. Die von feinsten rhythmischen Verästelungen durchzogen ist und in der die Komponistin Stille auslotet, in ihren verschiedensten farblichen und geräuschhaften Abstufungen. Eine Musik, die einem innere Ruhe gibt.“
BR Klassik CD-Tipp, Kristin Amme, 18.12.2017
„Man muss sich einlassen auf diese fremde musikalische Sprache, die Hörgewohnheiten negiert, Geräusche emanzipiert und immer zerbrechlich bleibt. (…) Sie ist mühevoll, herausfordernd und auch ermüdend in ihrer Langsamkeit, kann aber auch bis zur Schmerzgrenze gehen in musikalisch extremen Momenten, wenn die hohen Frequenzen zum Tinnitus werden. Dann ist es wieder so still, dass man nur noch den Atem hört – wie im Schützengraben. In diesem unbehausten Terrain kann schon ein einzelner, schlichter Ton von Altus Terry Wey berühren oder eine Gesangslinie von Noa Frenkel Sinn stiften.“
Badischen Zeitung, Georg Rudiger, 24.04.2017
„In der Musik ist bei aller Reduktion des Tonsatzes im Detail unglaublich viel los. Das ist sehr sorgfältig gearbeitet und immer wieder faszinierend, welche Facetten da entstehen.“
Deutschlandradio Kultur, Frieder Reininghaus, 18.04.2017
Chaya Czernowin - Heart Chamber [Official Trailer]
Infinite Now: Komponistin Chaya Czernowin im Portrait (englisch)
Produktionseinblick in »Infinite Now« von Chaya Czernowin
Infinite Now, de Chaya Czernowin
Chaya Czernowin - A Strange Bridge Toward Engagement
Chaya Czernowin - Knights of the Strange (tutti) [w/ score]
Chaya Czernowin - Ayre: Towed through plumes, thicket, asphalt, sawdust... [w/ score]
Chaya Czernowin - Sahaf [w/ score]
Chaya Czernowin - String Quartet [w/ score]
Naxos 2019, 10423573
Inbal Hever, Mezzosopran; JACK QuartetWergo 2017
ICE International Contemporary EnsembleKairos 2017
Werke für OrchesterWergo 2016