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Anlässlich der Uraufführung von Samir Odeh-Tamimis Komposition Roaïkron bei der Biennale Musica in Venedig sprach der italienische Musikwissenschaftler Gianluigi Mattietti im Herbst 2024 mit dem Komponisten über sein neues Stück sowie über Lebensstationen in Israel, Griechenland und Deutschland, die sich in seiner Musik widerspiegeln.
Am 2. Februar 2023 ist Samir Odeh-Tamimis Musiktheaterwerk Philoktet nach den Dramen von Sophokles, Heiner Müller und André Gide im Rahmen des Eclat Festivals Stuttgart mit den Neuen Vocalsolisten und dem Zafraan Ensemble zur Uraufführung gekommen.
Beim Festival d’Aix-en-Provence ist 2021 ein Werk zur Uraufführung gekommen, das seinen Komponisten Samir Odeh-Tamimi seit Jahren beschäftigt.
Samir Odeh-Tamimi, Tslalím
Samir Odeh-Tamimi, Komposition
Margherita Berlanda, Akkordeon
Samir Odeh-Tamimi, Óstrakon
Meitar Ensemble
Samir Odeh-Tamimis plastische und rhythmisch intensive Musiksprache entfaltet bisweilen eine archaische Kraft. Geboren in Jaljulia in der Nähe von Tel Aviv und begeistert von sowohl der europäischen Klassik als auch der Ästhetik der Neuen Musik kam der Komponist im Alter von 22 Jahren nach Deutschland und studierte Musikwissenschaft und Komposition. Neben der Beschäftigung mit kompositorischen Vorbildern wie Giacinto Scelsi und Iannis Xenakis setzte er sich in dieser Zeit verstärkt mit arabischer Musik auseinander. Seine intensiven Recherchen zur Geschichte der altorientalischen Welt und des antiken Griechenlands inspirieren seine Musik inzwischen immer mehr.
Regelmäßig sind Samir Odeh-Tamimis Werke bei renommierten Festivals zu hören, und er erhielt Kompositionsaufträge unter anderem vom Deutschlandfunk, dem Saarländischen Rundfunk, den Donaueschinger Musiktagen, dem Europäischen Zentrum der Künste Hellerau, dem WDR und dem Bayerischen Rundfunk/musica viva. 2010 wurde sein Musiktheaterwerk Leila und Madschnun bei der Ruhrtriennale uraufgeführt. Im Rahmen des vom Ensemble Modern, Siemens Arts Program und Goethe-Institut initiierten Projektes into Istanbul komponierte er 2008 ein von der türkischen Millionenstadt inspiriertes Ensemblewerk. Auch mit dem Boulanger Trio sowie mit den Neuen Vocalsolisten Stuttgart verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit. So besuchten die Sänger:innen im Rahmen einer Auftragskomposition für das Eclat Festival 2014 Samir Odeh-Tamimis Elternhaus und lernten dort die musikalischen Wurzeln des Komponisten kennen.
Sein Oratorium Hinter der Mauer, beauftragt vom RIAS Kammerchor anlässlich des 20. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung, war nach der Berliner Uraufführung in Jerusalem und Dresden zu hören. Im Jubiläumskonzert des SWR anlässlich des 500. Reformationsjubiläums wurde das Werk Gidim für Orchester und Elektronik aus der Taufe gehoben, das sich mit sumerischen Toten-Ritualen beschäftigt. 2018 brachte das Stuttgarter Kammerorchester das Violakonzert Šamaš zur Uraufführung, benannt nach dem Sonnengott der babylonischen Mythologie, und 2020 beauftragte der SWR TIMNA für Chor, Schlagzeug, Flöte, Viola, Violoncello und Kontrabass. Schon 2016 schrieb er für das Brüsseler Klarafestival ein Intermezzo für eine inszenierte Version von Bachs Johannes-Passion unter der Regie von Pierre Audi. L’Apocalypse Arabe I, eingebettet in die beiden Teile der Passion, basiert auf Texten der libanesischen Dichterin Etel Adnan und wurde 2017 im Muziekgebouw Amsterdam sowie 2018 an der Opéra Rouen wiederaufgeführt. Für das Festival d’Aix-en-Provence entwickelte Samir Odeh-Tamimi das Werk zu einem abendfüllenden Musiktheater weiter, das im Juli 2021 höchst erfolgreich uraufgeführt wurde.
Zu den wichtigen Werken der letzten Zeit gehört das beim ECLAT Festival 2023 uraufgeführte Musiktheater Philoktet, komponiert für die Neuen Vocalsolisten und das Zafraan Ensemble und inspiriert von der Tragödie des Sophokles sowie von André Gide und Heiner Müller. Zur Saisoneröffnung brachte die Kammerakademie Potsdam im September 2023 Tachypnon zur Uraufführung; das Münchener Kammerorchester interpretierte im Januar 2024 das mit theatralischen Elementen versetzte neue Werk Melancópion für Streichorchester ohne Dirigenten. Im Auftrag der Biennale di Venezia komponiert Samir Odeh-Tamimi für 2024 das Sextett Roaïkron für die Christian Benning Percussion Group. Für Juni 2025 ist zudem die Uraufführung eines neuen Werkes für das Ensemble Meitar geplant.
In Kooperation mit dem RBB und Kairos hat das Berliner Zafraan Ensemble 2018 eine viel gepriesene Porträt-CD mit kammermusikalischen Werken des Komponisten vorgelegt. Weitere Aufnahmen sind unter anderem bei WERGO erschienen. Samir Odeh-Tamimi ist seit 2016 Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und erhielt im gleichen Jahr den Musikautorenpreis der GEMA.
Saison 2024/25
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Eine Liste der Werke Samir Odeh-Tamimis finden Sie auf der Internetseite von Ricordi.
„Samir Odeh-Tamimis Musiktheater zu Sophokles’ ‚Philoktet‘ mit den Neuen Vocalsolisten und dem Zafraan Ensemble spielt sich dagegen als düstere Tragödie im Halbdunkel ab. Die Musik grundiert das Drama mit fragilen Klängen, die von der zynischen Mechanik des Kriegs erzählen. Blecherne, tonlos scheppernde Sounds auf kleinen Lyra-Harfen erzeugen eine gespenstische Atmosphäre. Bisher: ein markanter Auftakt.“
Schwäbisches Tagblatt, Otto Paul Burkhardt, 4.1.2023
„Fragmente und zeichenhafte Überfülle zeichnen das Musik-Totalereignis ‚Once To Be Realized‘ aus. (…) Samir Odeh-Tamimis an verschiedenen Orten gesetzte Interludien thematisieren Metamorphosen der Texte Christous über die Schwellen von Wort und Atem zur eigen-kreativen Musik.“
nmz online, Roland H. Dippel, 27.1.2022
„Das alles ist einfach, sogar simpel bis zur Obsession, entfaltet in seiner Unerbittlichkeit aber tatsächlich archaische Wucht. Indem Sprechen hier immer wieder ins Singen umschlägt, indem der ‚Zeuge‘ auf dem Höhepunkt zum grossen Klagegesang anhebt, erscheint Gesang im Musiktheater nicht als blosse Gattungskonvention, sondern als einziger möglicher Ausdruck des Humanen in höchster Not.“
Neue Zürcher Zeitung, Michael Stallknecht, 8.7.2021
„Die ganze Intensität von Samir Odeh-Tamimis Klangsprache, die so eindrucksvoll Aspekte arabischer Musik mit westeuropäischen Komponiertraditionen zu verbinden versteht, könnte kaum unmittelbarer zu Wort kommen.“
NMZ, Mai 2018, Zur Porträt CD „Samir Odeh-Tamimi: Kammermusik“ des Zafraan Ensembles, erschienen bei Kairos (8006118)
„Die einzelnen Klangstränge wachsen plastisch aus dem Gesamtklang hervor, dabei vielfach durch unterschiedliche Graden von Rauheit und Schärfe sowie durch vielfältige rhythmische Impulse artikuliert und in einzelnen Momenten zu einer gleichsam körperlichen Klangwucht verdichtet.“
klassik.com, Prof. Dr. Stefan Drees, zur Porträt-CD „Samir Odeh-Tamimi: Kammermusik“ des Zafraan Ensembles, erschienen bei Kairos (8006118), 4.2.2018
„Samir Odeh-Tamimi legt in seinem Intermezzo für ‚And You Must Suffer‘ bei der Vertonung des Gedichts ‚L’Apocalypse arabe‘ der libanesischen Malerin und Dichterin Etel Adnan tiefe Vorstellungskraft und Sinn für Komplexität an den Tag. Hiermit findet eine arabische Stimme von Bedeutung Gehör in Europa.“
Opernwelt, Shirley Apthorp, Mai 2017 (Opera Forward Festival Amsterdam)
„Stark auch ‚Jarich (Mondgott)‘, in dem der Palästinenser Samir Odeh-Tamimi Erinnerungen an das Leid seiner Familie – sie wurde ein Opfer der israelisch-palästinensischen Konflikte – verarbeitet. So werden hier drei sich dramatisch artikulierende Frauenstimmen in Tonbandzuspielungen eingebettet, die sich albtraumhaft verwandeln. Hinzu kamen verfremdete Höreindrücke aus Palästina: rituelle Gesänge, Sufi-Musik, Gongs und Trommeln. Ein Werk, das einen Hörsog erzeugte (…).“
Stuttgarter Nachrichten, Verena Grosskreutz, 11.2.2014 (ECLAT Festival Neue Musik Stuttgart)
„Samir Odeh-Tamimi und Mark Andre haben ihre Werke ‚Cihangir‘ und ‚üg‘ für Ensemble und Elektronik 2008 im Rahmen des Projekts ‚into Istanbul‘ des Siemens Arts Program direkt der Stadt am Bosporus abgelauscht: eine moderne Großstadt porträtiert Odeh-Tamimi. Das vielleicht klischeehafte – aber halt doch so verlockende – Bild der orientalischen Stadt malt Andre. Dass es keinen Grund gibt, sich vor dem ‚Fremden‘ zu fürchten, vermitteln beide. Solche Botschafter brauchen die Länder und Nationen.“
Der Standard, Heidemarie Klabacher, 2.8.2014 (Salzburger Festspiele)
„Sein unbetiteltes Stück baut mit scharfen intervallischen Reibungen gewaltige Klangflächen im Wechsel mit bedrohlichem Donnern und Rattern auf, bei dem das einzigartige Schlagwerk der Orgel zu voller Entfaltung kommt. (…) Das Werk bietet jedenfalls nicht nur Illustration und Technikschau auf diesem phantastischen Instrument, sondern vermag eine Landmarke in der aktuellen Orgelkomposition zu setzen.“
Musiktexte, Christian Rabenda, November 2012 (orgel-mixturen)
„Zu einem erregenden Hörerlebnis geriet die Uraufführung von ‚Oh Leute, rettet mich vor Gott‘ von Samir Odeh-Tamimi. Der palästinensisch-israelische Komponist bezieht sich hier auf den mittelalterlichen islamischen Mystiker Mansur Al-Halladsch, kombiniert dessen religiösen Text jedoch mit zwei Gedichten des 1930 geborenen syrischen Lyrikers Adonis, in denen die Entfremdung des Menschen von seinem Ursprung durch Zerstörung und technologische Rationalität beschrieben wird. Sprache, Wörter sind hier das Zentrum der Existenz. Entsprechend wortmächtig ist Odeh-Tamimis Stück, stammelnd, ekstatisch, erstarrend und wieder aufbrechend in kreiselnden Vokalfiguren, mit plötzlichen Tempobrüchen wechselnd zwischen meditativem Gesang und brüllenden Geisterfahrten: Die Zuhörer in der Südkirche waren überwältigt.“
Esslinger Zeitung, Dietholf Zerweck, 11.9.2012 (Musikfest Stuttgart)
Philoktet Trailer
L'Apocalypse Arabe (2018) | Ensemble Modern, Ilan Volkov
Samir Odeh-Tamimi | Porträtfilm
Leila und Madschnun (2010) Trailer | Ensemble Musikfabrik, ChorWerk Ruhr, Hagen Matzeit, Aleksandar Radenkovic, Nadine Schwitter, Michael Prelle, Peter Rundel
Gidim (2017) | SWR Orchester, Peter Rundel
Rituale (2008) | Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Simone Young
Hinter der Mauer (2010) Trailer | RIAS Kammerchor, Ensemble Musikfabrik, Gesa Hoppe, Christoph Mortagne, Romain Bischoff, Frank Wörner, Hans-Christoph Rademann
Mansur Al-Hallāğ (2014) | BR-Chor, Rupert Huber
TIMNA (2018) | SWR Vokalensemble Stuttgart, Peter Rundel
Alif (2014) | Zafraan Ensemble, Salome Kammer, Manuel Nauri
Capricornus (2017) | Ensemble Mosaik
Ahinnu II (2002) | Hezarfen Ensemble, Gergely Madaras
Duo (2011) | Joke Wijma, Christian Martinez
Eine Erinnerung für das Vergessen (2006) | Claudia Pérez Iñesta
Tslalím (2006) | Margit Kern
Támani (2003)
Zafraan Ensemble, Salome Kammer, Manuel Nawri;Kairos, 2018, 0015023KAI
Jeremias Schwarzer, WDR Rundfunkchor Köln, Ensemble musikFabrik, Radio Kammerphilharmonie Hilversum;Wergo, 2011, 9835580