György Ligeti, 1923 – 2006
György Ligeti wurde am 28.5.1923 im rumänischen Dicsöszentmárton (heute Tîrnaveni) geboren. Seine Eltern, die zur ungarisch-jüdischen Minderheit in Siebenbürgen gehörten, zogen bald mit ihm nach Cluj (Klausenburg), wo er ab 1941 Kompositionsunterricht bei Ferenc Farkas erhielt. Das Naziregime zerstörte die Familie: Sein Bruder und sein Vater starben in den Vernichtungslagern, György Ligeti selbst wurde zum Arbeitsdienst gezwungen, seine Mutter überlebte Auschwitz.
Nach Kriegsende führte György Ligeti seine Kompositionsstudien bei Ferenc Farkas und Sándor Veress an der Franz Liszt Musikakademie in Budapest fort. Neben seiner Beschäftigung mit folkloristischer Musik entwickelte er schon in dieser Zeit das Konzept einer mikropolyphonen Kompositionsweise. Doch während seine Volksliedarrangements und an rumänische und ungarische Folklore angelehnten Kompositionen in Ungarn veröffentlicht wurden, konnten sich seine neuen musikalischen Ideen erst durch die Übersiedlung in den Westen nach dem ungarischen Aufstand von 1956 wirklich entfalten.
In Wien machte er Bekanntschaft mit Vertretern der Avantgarde wie Michael Koenigge und Herbert Eimert, der ihn ans Studio für Elektronische Musik des Westdeutschen Rundfunks in Köln einlud. Hier arbeitete er von 1957 bis 1958. Die Musik von Mauricio Kagel, Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen konnte György Ligeti nun aus nächster Nähe studieren; er selber verfolgte mit Kompositionen wie Artikulation jedoch seinen kompositorischen Weg, der wenig mit dem seriellen Strukturdenken zu tun hatte, konsequent weiter. Ein breiteres Publikum erreichte er erstmals durch sein Orchesterstück Apparitions, das 1960 beim IGNM-Fest in Köln uraufgeführt wurde. Mit dem 1961 entstandenen Orchesterwerk Atmosphères, einem fast konturlos erscheinenden Gewebe aus Einzelstimmen, einem scheinbar stehenden Tonkomplex, der sich jedoch durch geringfügige rhythmische, intervallische und dynamische Verschiebungen in ständiger Veränderung befindet, wurde er endgültig auch international bekannt. Nachdem das Stück später zusammen mit dem Requiem (1963-65) und dem Chorwerk Lux aeterna (1966) in Ausschnitten von Regisseur Stanley Kubrick in den Soundtrack für seinen Film 2001 – Odyssee im Weltraum aufgenommen wurde, erreichte es ein Massenpublikum.
Die Mikropolyphonie bliebt zwar ein wichtiger Bezugspunkt in seinem Werk, wird jedoch in den folgenden Jahrzehnten durch verschiedene Komponenten erweitert: In seinen Musikdramoletten Aventures (1962) und Nouvelles Aventures (1962-65) benutzt György Ligeti erstmals eine kontrast- und farbenreiche Sprache. Den Gebrauch von Mikrointervallen erforscht er in Ramifications (1968-69). In den siebziger Jahren beschäftigt er sich häufig auf ironische Weise mit historischen Kompositionsmodellen. Ein Hauptwerk dieser Zeit ist die 1978 in Salzburg uraufgeführte Oper Le Grand Macabre (1978) nach einem Schauspiel von Michel de Ghelderode. Komplexe Polyrhythmen bestimmen die Werke der 80er und 90er Jahre, darunter das Konzert für Klavier und Orchester (1985) und das Konzert für Violine und Orchester (1990-92).
György Ligeti, der seinen Lebensschwerpunkt seit Mitte der 1950er Jahre teils in Deutschland, teils in Österreich hatte und seit 1967 österreichischer Staatsbürger war, hat zahlreiche Lehrtätigkeiten wahrgenommen. 1961-71 war er Gastprofessor für Komposition in Stockholm, 1972 wirkte er als composer in residence an der Stanford University, und von 1973-89 unterrichtete er an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg.
Die Preise, die György Ligeti für sein kompositorisches Schaffen erhielt, sind so zahlreich, dass hier stellvertretend nur einige genannt werden können. So erhielt er 1991 den Praemium Imperiale und 1993 den Ernst-von-Siemens-Musikpreis. 2004 wurde er von der Königlichen Musikakademie Schweden mit dem Polar-Musikpreis ausgezeichnet.
György Ligeti ist am 12. Juni 2006 im Alter von 83 Jahren in Wien gestorben.