Friedrich Cerha

1. Streichquartett

Titel
1. Streichquartett
Untertitel
"Maqam"
Category
Kammermusik
Streichquartett
Dauer
14:00
Anzahl Mitwirkende
4
Entstehung
1989
Uraufführung
1991-02-01

UA: Salzburg, Mozarteum Salzburg · Cherubini-Quartett

Zusatz
for the 200th anniversary of W.A. Mozart
Auftraggeber
Foundation Mozarteum Salzburg
Kommentare des Komponisten zum Werk

Ich habe in meinem Leben als Geiger sehr viel Kammermusik gespielt und kenne die Literatur gut. Zwei Streichquartette und ein Streichtrio sind bei einem Generalreinmachen Anfang der Sechzigerjahre im Papierkorb gelandet. Die beiden Aufträge zu Streichquartetten (Internationale Stiftung Mozarteum 1989 und Rencontres musicales d'Evian 1990) waren mir im Zusammenhang mit dem Bedürfnis, mich von sprachlich und stilistisch für mich unerschlossenen Bereichen anregen zu lassen, willkommen. Die Auseinandersetzung mit folkloristischem Material reicht weit zurück. War es in den Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahren die slawische Volksmusik, die mich beschäftigte (ich war immer ein großer Janácek-Bewunderer und kann die slowakischen Melodien aus meiner Kindheit nicht vergessen), so habe ich mich auf eine recht direkte Weise in den beiden „Keintaten" auf das wienerische Idiom bezogen. Im 1. Streichquartett sind es Materialien und Techniken der arabischen, im 2. Streichquartett der papuanischen Musik, die die Sprache der Werke mitbestimmen.

Das 1. Streichquartett ist im wesentlichen im Frühjahr 1989 im Süden Marokkos entstanden. Die Beschäftigung mitder arabischen Kultur ist seit meinem Studium und meiner Dissertation nie ganz abgerissen. Der erste langsame Abschnitt mit der melodischen Linie der Bratsche wird als Modell benützt, das in allen seinen Facetten kontinuierlich in den folgenden zehn Abschnitten variiert wird. Der Untertitel maqlm weist auf diese Technik hin. Von den Dauernproportionen der Bratschenmelodie sind auch die späteren rhythmischen Strukturen abgeleitet, ebenso das zeitliche Verhältnis der einzelnen musikalischen Abschnitte zueinander. Daß dabei auch arabische Zahlensymbolik, die ja die europäische wesentlich beeinflußt hat, eine Rolle spielt, sei - weil nicht unmittelbar hörbar - nur am Rande vermerkt. Neu ist in diesem Stück für mich die strukturelle Verwendung von Vierteltönen.?

Um nicht zu Mißverständnissen Anlaß zu geben, möchte ich darauf verweisen, daß es natürlich nicht darum geht, den exotischen Klangreiz außereuropäischer Musik nachzuahmen, auch nicht darum, Ausdruckswerte anderer Völker aufzugreifen. Was entsteht, ist durchaus Musik aus unserem Kulturkreis; eine Musik freilich, die dadurch ihr Profil erhielt, daß die schöpferische Phantasie sich an musikalischen Zuständen und Konstellationen beflügelt hat, wie es sie in unseren Breiten nicht gibt.

Friedrich Cerha

 

Verlag