György Ligeti

Drei Phantasien

Titel
Drei Phantasien
Untertitel
nach Friedrich Hölderlin
Category
Vokalmusik
Chor a cappella
Dauer
11:00
Anzahl Mitwirkende
16
Besetzung
für gemischten Chor a cappella (je 4 SATB)
Entstehung
1982
Uraufführung
1983-09-26

Stockholm · Rundfunkchor Stockholm · Dir.: Eric Ericson

Satzangaben

I Hälfte des Lebens
II Wenn aus der Ferne
III Abendphantasie

Auftraggeber
Swedish Radio
Text

Friedrich Hölderlin

Audio
Copyright

György Ligeti Edition Vol. 2 © 1996 Sony Music Entertainment Inc./ ℗ 1996 Sony Classical
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Kommentare des Komponisten zum Werk

Das dreisätzige Chorwerk wurde 1982 komponiert und Eric Ericson gewidmet, der die Stücke 1983 in Stockholm mit dem Schwedischen Rundfunkchor uraufführte. Hölderlins Dichtung erweckte schon seit vielen Jahren intensive musikalische Vorstellungen in mir: Vor allem die grandiosen, phantasmagorischen und mit Emotionen übersättigten Bilder seiner poetischen Sprache haben mich stark beeindruckt. Assoziationen zu Bildern spielten ebenfalls eine Rolle. So ist Altdorfers Alexanderschlacht (in der Alten Pinakothek in München) mit dem grandiosen Wolkenhintergrund – zerfetzt, von Sonnenstrahlen durchbohrt – eines meiner größten künstlerischen Erlebnisse. Die purpurne Wolkenlandschaft in Hölderlins Abendphantasie, für mich assoziativ mit dem Wolkenhimmel Altdorfers verbunden, gab die »Initialzündung« für die musikalischen Einfälle. In diesen Chorstücken habe ich nicht ganze Gedichte, sondern nur Textfragmente vertont, und zwar diejenigen, die in mir musikalische Vorstellungen erweckten. Das Wesentlichste in Hölderlins Kunst ist für mich die Spannung zwischen gezügelter, fast klassizistischer Form (antike Metrik, Balance der Sprache) und exzessiv emotionalem sprachlichem Inhalt.

Die drei Hölderlin-Phantasien gehören – mit dem Trio für Violine, Horn und Klavier, den Ungarischen Etüden und dem Klavierkonzert – einer neuen Phase meines Komponierens (ab 1982) an. Ich stelle mir eine stark affektive, kontrapunktisch und metrisch sehr komplexe Musik vor, labyrinthhaft verästelt, mit durchhörbaren melodischen und harmonischen Gestalten, doch ohne jeglichen »Zurück zu«-Gestus, nicht tonal, aber auch nicht atonal. Ich habe noch keinen Namen zur Bezeichnung dieser kompositorischen Richtung, und ich suche ihn auch nicht. Was mir vorschwebt, ist eine vergeistigte, stark verdichtete Kunstform. Ich suche, jenseits aller Modernität, etwas von unserem heutigen Lebensgefühl in Musik neu erstehen zu lassen.

Einführungstext zur Aufführung im Rahmen des Musikprotokolls im Steirischen Herbst Graz am 4. Oktober 1984.

Abdruck aus: György Ligeti, Gesammelte Schriften (Veröffentlichungen der Paul Sacher Stiftung, Bd. 10), hrsg. von Monika Lichtenfeld, Mainz: Schott Music 2007, Bd. 2, S. 285-286. © Paul Sacher Stiftung, Basel und Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz, Bestellnummer: PSB 1014

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