Auf Manhattans West Side am Hudson River, wo die High Line nach ihrer
Fahrt durch Chelsea endet, nimmt ein dynamisches Gebäude Form an: The
Shed, der „Schuppen“ heißt der architektonisch spektakuläre Ort,
sprachlich passend zu der Stadt, deren Hipster schon vor 70 Jahren alles
Faszinierende in anerkennendem Understatement als „bad“ bezeichneten.
Als ein offener Kunst-Ort für alle will sich das non-profit-Haus
etablieren, und es vergibt dafür unter anderem Aufträge für neue Werke
in verschiedensten Disziplinen von Musik über Theater bis zur bildenden
Kunst.
Entsprechend können auch die Veranstaltungen, mit denen der Schuppen im
Frühjahr erstmals seine Pforten öffnet, interdisziplinärer kaum sein.
Mit von der Partie ist Dirigent Brad Lubman
und sein Ensemble Signal. Vom 6. April bis zum 2. Juni 2019 verwandeln sie
drei- bis viermal täglich einen Teil des Gebäudes in eine Klang- und
Kunstinstallation. Große Namen der Musik- und Kunstwelt vereint das
Reich Richter Pärt Projekt: Komponist Steve Reich hat hierfür in
Kollaboration mit Gerhard Richter ein neues Werk geschaffen, und
Filmemacherin Corinna Belz steuert ein Video bei, das die Strukturen von
Richters Bildserie Patterns und die minimal-music-Formeln von Steve
Reich ineinanderwebt. Das Publikum kann sich mit den Aufführenden durch
den Galerieraum bewegen und dabei in die Werke des großen Malers, in die
Architektur und die Musik eintauchen.
Viele Komponisten vertrauen Brad Lubman ihre Werke zur Uraufführung an,
doch mit Steve Reich verbindet ihn eine besonders lange und
vertrauensvolle Zusammenarbeit. Der Dirigent und sein Ensemble Signal
„haben viele der besten Aufführungen meiner Musik vollbracht, die ich
gehört habe“, so der Komponist. Kennengelernt haben sich die beiden
Künstler 1995. Seitdem hat Brad Lubman Reichs Kompositionen für die
Label harmonia mundi und Nonesuch aufgenommen, die Uraufführungen von
Werken wie Three Tales, Daniel Variations, Runner, Radio Rewrite und Variations for Vibes, Pianos and Strings geleitet
und diese Musik auf vier Kontinenten dirigiert. Das Ensemble Signal ist
weiterhin entschlossen, der Musik des Komponisten einen besonderen
Stellenwert einzuräumen. „Für Signal ist Steve nicht nur ein Komponist,
dessen Musik wir lieben, sondern er ist auch ein Mentor und geschätzter
Kollege“, so das Ensemble, das sich seit seiner Gründung 2008 als
führendes Neue-Musik-Ensemble New Yorks etabliert hat. Die Aufführungs-
und Produktionspraxis, die Steve Reich selbst seit den 70er Jahren
entwickelt hat, möchte Signal dabei weiterführen, nicht zuletzt, um neue
Publikumsgruppen weltweit zu erreichen. Dafür nutzen sie vielfältige
mediale und technische Möglichkeiten – und spielen sogar ab und zu in
einem Schuppen.
Kathleen Heil, Übersetzung: Nina Rohlfs, 2/2019