Den Auftakt für die beiden ausverkauften Konzerte am 30. und 31. Oktober bildete ein populäres türkisches Lied: Ali Ekber Çiçeks Haydar Haydar erklang in einer Orchesterfassung von Özkan Manav. Vom Publikum in beiden Metropolen ebenso begeistert aufgenommen wurden Mozarts Klavierkonzert Nr. 20 mit dem Pianisten Francesco Piemontesi sowie Brahms' 4. Sinfonie
Die Konzerte vor vollen Sälen waren die Krönung eines ungewöhnlichen Projektes. Ins Rollen gekommen war es durch Cemi’i Can Deliorman, Chefdirigent des Presidential Symphony Orchestra Ankara. Vor einigen Jahren hatte er Karsten Witt zur Besichtigung der Baustelle der neuen Presidential Symphony Orchestra Hall (AKM Cumhurbaşkanlığı Senfoni Orkestrası Konser Salonu) in Ankara eingeladen und um Beratung gebeten. Im Sommer 2020 erreichte unser Büro der Anruf mit der guten Nachricht: Der Saal wird bald fertig! Tatsächlich wurde er im Dezember offiziell eröffnet, aber danach zur Fertigstellung des Baus gleich wieder geschlossen. Im Sommer 2021 ging es dann um die Frage, ob KWMM ein wichtiges internationales Orchester für ein Gastspiel gewinnen könnte. Und da gerade auch ein neuer Saal in Istanbul entstand, wurde daraus eine kleine Tournee.
Das neue Atatürk-Kulturzentrums (Atatürk Kültür Merkezi) in Istanbul wurde tatsächlich erst unmittelbar vor dem Gastspiel fertig – noch bei einer Besichtigungsreise Anfang Oktober hätten Karsten Witt sowie der Mitreisende KWMM Manager Yan Dribinsky nicht ihre Hand dafür ins Feuer legen wollen, dass die Baustelle sich fristgerecht in einen repräsentativen Saal verwandeln würde. Der neue Bau am Taksim-Platz in Istanbul ersetzt das ehemalige Atatürk-Kulturzentrum, das 1969 eröffnet worden war und in den Jahren vor dem Abriss 2017 leer stand. Eröffnet wurde das auch als Opernhaus fungierende Gebäude an den beiden Tagen vor dem LPO-Konzert mit einer neuen türkischen Oper. Erstaunlich reibungslos funktionierte dann der Umbau zum Konzert, und auch mit der Saalakustik waren Orchester und Publikum zufrieden, obwohl das Haus erst demnächst seine Konzertmuschel erhalten wird.
Die Tourplanungen waren ohnehin denkbar aufregend gewesen. Aufgrund des ungewissen Zeithorizonts für die Bauarbeiten konnte erst rund zwei Monate vor den Konzerten überhaupt mit der Organisation begonnen werden. Möglich wurde das Unmögliche gewissermaßen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie: Das London Philharmonic Orchestra und Robin Ticciati wären eigentlich auf einer Asientournee gewesen, konnten aber nicht reisen und waren kurzfristig frei, inklusive des herausragenden Solisten Francesco Piemontesi.
Das Glücksgefühl, das sich in den umjubelten Konzerten beim mitreisenden KWMM-Tour-Team einstellte, erinnerte an einen vergleichbaren Moment vor gar nicht langer Zeit: Ähnlich bewegten uns die ersten Takte, die das Jerusalem Symphony Orchestra im vergangenen Sommer in Berlin erklingen ließ – als das erste internationale Orchester, das die Stadt nach dem Lockdown bereiste.