Einen Teil ihres abwechslungsreichen Konzertrepertoires dokumentiert das GrauSchumacher Piano Duo gemeinsam mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin in einer Reihe von drei CDs beim Label für zeitgenössische Musik NEOS Music. Wulf Weinmann, Chef von NEOS Music, hat mit dem GrauSchumacher Piano Duo und Stefan Heucke über ihre Zusammenarbeit für die neue Concerti II CD des Duos gesprochen, die im Januar 2014 veröffentlicht wurde.
Wulf Weinmann: Die Bearbeitung des Liszt‘schen Concerto pathétique für 2 Klaviere und Orchester durch Stefan Heucke ist eine echte Novität. Wie kam es denn zu der Idee dieser Fassung?
Andreas Grau:
Zum einen wollten wir eine Repertoirelücke schließen. Uns Klavierduos
fehlt tatsächlich ein großes romantisches Konzert. Weder Schumann noch
Chopin, Liszt, Tschaikowsky oder Brahms haben für diese Besetzung
geschrieben. Die beiden Konzerte von Mendelssohn sind Frühwerke eines
13- bzw. 14-jährigen Wunderkindes und bei allen Qualitäten nicht mit den
Soloklavierkonzerten oder dem Violinkonzert vergleichbar. Das
Doppelkonzert von Bruch reicht ebenfalls nicht an sein Violinkonzert
heran. Eigentlich geht es dann erst wieder im 20. Jahrhundert mit
Poulenc und Bartók weiter. Zum anderen schätzen wir Stefan Heucke nicht
nur als Komponisten, der viele Originalwerke für uns geschrieben hat,
die wir immer wieder in unseren Konzerten spielen, sondern ebenso als
kongenialen Bearbeiter von Komponisten wie Schubert, Brahms, Mahler oder
Janáček für die verschiedensten Besetzungen. Diese Liszt-Transkription
war uns insofern ein echtes Anliegen.
Götz Schumacher:
Eine solche Neuschöpfung ist nicht zuletzt legitimiert durch die
Vielzahl der Fassungen, die Liszt selbst oder dessen Schüler angefertigt
haben. Ausgangspunkt des Werks ist ja das "Große Konzertsolo" von 1851,
in dem sich Liszt mit dem Experiment der einsätzigen Form beschäftigt,
die sich aber im Inneren doch aus vier Sätzen zusammensetzt – wie etwa
die berühmtere h-moll Sonate. Später arbeitete er das "Konzertsolo" für
zwei Klaviere um und veröffentlichte es 1865 unter dem Titel Concerto
pathétique bei Breitkopf in Leipzig. In späteren Jahren gab es dann noch
einige Bearbeitungen sowohl für zwei Klaviere als auch für Soloklavier
mit Orchester von verschiedenen Liszt-Schülern, so z.B. von Hans von
Bülow, Eduard Reuss (korrigiert von Liszt), Richard Burmeister oder auch
Gábor Darvas.
Wulf Weinmann: Stefan Heucke, Sie
haben die Transkription des Liszt‘schen für zwei Klaviere und Orchester
dem GrauSchumacher Piano Duo gewidmet, mit dem Sie seit vielen Jahren
eine enge Zusammenarbeit verbindet. Ist diese Transkription eine
Neufassung im Geiste Liszts?
Stefan Heucke: So
ist es. Eine Neufassung mit den Mitteln des modernen Orchesterklanges.
So gibt es – um nur einige Special Effects zu nennen – einige
ungewöhnliche Klangkombinationen aus Klavier und Harfe, Mischklänge von
Klavier- und Streichertremoli sowie von Klavier- und Paukenglissandi.
Auch eine gewaltige Orchesterakkumulation, die in einem extrem lauten
Tamtam-Schlag gipfelt, kommt vor.
Wulf Weinmann: Die Faktur des Lisztschen Klaviersatzes bleibt aber unangetastet?
Stefan Heucke:
Ja, aber ich habe einen komplett neuen Orchesterpart dazu komponiert,
dessen Töne zwar von Liszt hätten stammen können, den Liszt selbst aber
sicherlich nicht so instrumentiert hätte. Die Klangmittel des Orchesters
sind, jedenfalls teilweise, die der Postmoderne. Das Verfahren lässt
sich mit Ravels Instrumentation von Mussorgskis vergleichen. Man stelle
sich vor, Liszt, Wagner, Strauss und Schostakowitsch hätten gemeinsam
beschlossen, ein Konzert für zwei Klaviere und Orchester zu komponieren
und Stefan Heucke hätte die Kadenz beigesteuert. Diese etwa fünfminütige
Kadenz für die beiden Solisten allein und ganz und gar in meiner
eigenen Sprache, habe ich dem Werk übrigens genau an dem Punkt
hinzugefügt, an dem Hans von Bülow in seiner Bearbeitung ebenfalls eine
Kadenz eingefügt hat.