„In einer Zeit, in der die Existenzgrundlage von Künstlern fundamental bedroht ist, müssen diese mit ihren ureigenen Mitteln auf kreative Art Wege aus der Krise finden und erfinden“, sagt Bariton Dietrich Henschel zu seinem neuen Opernprojekt COSÌ.20 – Liebe ist ansteckend. Mozarts Cosi fan tutte – diese zynische Wette auf die Unmoral im Laborversuch, emotionslos seziert und durchs Mikroskop betrachtet – liefert dem Künstler*innenkollektiv um Dietrich Henschel und Thomas Höft eine ideale Folie für Oper in den Zeiten des social distancing. Am 1. und 2. August vereinzelt das Opernlabor COSÌ.20 in Lockenhaus alle Akteure einschließlich des Publikums in einem Psycho-Experiment. Wird die Isolation Beziehungen dauerhaft zerstören? Kann der kontaktfreie Gefühlsaustausch schmerzfrei vollzogen werden?
In der interaktiven Inszenierung wird die Oper in komprimierter Fassung gezeigt, angereichert mit Werken von György Ligeti, John Cage, György Kurtág und Ghostly Kisses. Und wo große Oper ausfällt, versammelt COSÌ.20 eine Opernkompanie im Kompaktformat, die Vielseitigkeit der Mitwirkenden ausnutzend. Zum Personal gehören neben einer handverlesenen Sängerbesetzung – darunter Sopranistin Johanna Winkel und Tenor Benedikt Kristjánsson – der künstlerische Leiter, Bariton und Pianist Dietrich Henschel und Dirigentin Gabriella Teychenné, die als Geigensolistin zweitfungiert, sowie das Vogler Quartett.
Dem Publikum ist in diesem Vereinzelungsszenario eine eigene Rolle unter allen notwendigen Vorgaben des Infektionsschutzes zugedacht. Das COSÌ.20 Experiment hat eine Teilnehmerzahl von maximal 98 Personen pro Aufführung. Alle Mitwirkenden stellen ihre Arbeitskraft und Kreativität ebenso honorarfrei zur Verfügung wie die Betreiber der Burg Lockenhaus die Spielstätte und des Kühlhaus Berlin ihr Gebäude für die erste Probenwoche– Einnahmen dienen zur Deckung der weiteren Unkosten.
Damit tastet sich das Kollektiv an die Frage heran, wie mit den durch die Covid-19-Pandemie verursachten neuen Verhältnissen künstlerisch umzugehen ist. „Die gesundheitliche Bedrohung ist real“, heißt es von Seiten der Akteure. „Virale Infektionen, die über Tröpfchenübertragung und Aerosole stattfinden, können nur über Schutzmaßnahmen wie räumliche Distanz und Masken eingeschränkt werden. Wenn man das ernstnimmt, heißt das aber noch lange nicht, dass damit performative Kunst unmöglich wäre. Sie ist nur nicht im gewohnten Sinne zu realisieren: Reduzierte Orchester-Besetzungen, kürzere Aufführungsdauern, Sicherheitsabstände, Atemschutzmasken, dies sind neue Gegebenheiten, auf die sich Theater- und Konzertveranstaltungen einzustellen haben.“
COSI.20 geht dabei noch einen Schritt weiter: „Wir betreiben keine simple Reduktion auf Corona-Format, sondern wir akzeptieren die neuen Gegebenheiten und nehmen sie als Grundlage für unsere künstlerische Auseinandersetzung mit einem genialen Musiktheaterstück des Repertoires. COSI.20 gewinnt aus der scheinbaren Reduktion ihre eigentliche Kraft. Sie betrachtet Da Pontes Theaterlabor mit dem Auge unserer momentanen Laborsituation und überträgt die Forschungsergebnisse Da Pontes und Mozarts in unsere pandemische Gegenwart“, so das Produktionsteam.
Das forum.lockenahus hat sich als organisatorischer Partner für das Projekt angeboten, das von zwei Künstler*innenkollektiven umgesetzt wird: WUNDERHORN productions wurde von Dietrich Henschel zur Realisierung von Film- und Musiktheaterproduktionen gegründet, und ĀRT HOUSE 17 ist als Initiative von Georg Kroneis, Michael Hell und Thomas Höft international spartenübergreifend zwischen Kunst und Wissenschaft aktiv. Gemeinsam haben sie sich den Namen ĀRT HOUSE OPERA gegeben.
Die Aufführungen im Kühlhaus Berlin sind auf unbestimmte Zeit verschoben, bis seitens der Behörden eine Planungssicherheit wiederhergestellt worden ist. Der Kartenvorverkauf startet am 7. Juli 2020 auf startnext.de und ist verbunden mit einem Crowdfunding.