Ihre Tournee mit Stationen in den bedeutendsten Konzertsälen Europas als „Rising Star“ der European Concert Hall Organisation (ECHO) hat Mariam Batsashvili 2017 gerade abgeschlossen, da erreicht die junge georgische Pianistin eine überaus aufregende Nachricht: Die BBC fördert sie als New Generation Artist, und damit wird sie in den kommenden beiden Spielzeiten bei den großen Festivals und in den renommiertesten Konzertsälen Großbritanniens präsent sein. Im Gespräch über die Eindrücke der vergangenen Monate schildert sie die Magie der Konzertsituation und ihre Tricks im Umgang mit den Strapazen des Tourneealltags.
Mariam, für Dich endet gerade eine große und ereignisreiche Saison – Du hast für die Rising Stars Tournee in praktisch allen wichtigen Konzertsälen Europas gespielt, neben einer Reihe weiterer Engagements. Wie hast Du die Tour erlebt?
Ich wusste natürlich im Vorfeld der Tournee, dass große Säle und Kammermusiksäle dabei sind. Aber ausgerechnet mit der Kölner Philharmonie zu starten, die wirklich riesig ist, war ein ziemlicher Schock für mich. Im Nachhinein kann ich sagen, dass all diese Säle akustisch einfach perfekt sind und dass ich jetzt noch besser verstehe, warum man sie so baut. Es ist sehr inspirierend, zu wissen, dass so viele großartige Musiker dort aufgetreten sind – die Säle haben aufgrund ihrer Geschichte eine eigene Aura. Neben den Konzerten hatte ich eine Reihe anderer Aufgaben, wie Projekte mit Schulkindern, Fragerunden mit Konzertbesuchern oder Konzerteinführungen, also die Kommunikation mit dem Publikum. Es ist toll, dass die ECHO Tournee diese Möglichkeiten bietet. Und auch, dass wir zeitgenössische Musik spielen mussten; für mich hat ein junger spanischer Komponist ein Stück komponiert. Gefördert werden also nicht nur Musiker und der Zugang zur klassischen Musik allgemein, sondern auch junge Komponistinnen und Komponisten.
Du hast auf der Tournee die Möglichkeit gehabt, Deine Stücke sehr oft und an verschiedenen Orten zu spielen. Haben sie sich dadurch verändert?
Fast überall habe ich die Sonate von Franz Liszt gespielt. Sie war schon immer mein absolutes Lieblingsstück, und auf jeden Fall verändert sie sich. Es gibt zwei Möglichkeiten für diese Veränderung. Erst mal zum Schlechteren – dass das Spiel zur reinen Routine wird und dass immer mehr Details verloren gehen. Das ist natürlich fürchterlich und es ist mir hoffentlich nicht passiert, denn ich empfinde das Gegenteil: Sowohl auf den Mitschnitten als auch im Konzert selber habe ich gehört, dass von jeder Aufführung zur nächsten Neues auftaucht, neue Details, die ich zuvor nicht wahrgenommen habe. Eigentlich unglaublich, wie das sein kann – ich habe dieses Stück doch so gründlich durchgearbeitet! Aber auf der Bühne werden neue Dinge geboren, interessante Dinge, die man nicht zu Hause übt. Das Spiel verändert sich je nach der Stimmung im Raum, je nach den Leuten und meinem eigenen Spannungsverhältnis zu ihnen. Das ist wie Magie.
Hast Du durch diese Fülle von Konzerten eine neue Routine in Bezug auf Reisen, die Gestaltung des Konzerttages oder das Üben unterwegs entwickelt?
Der Liszt Wettbewerb hatte mir eine große Tournee über zweieinhalb Jahre ermöglicht, deshalb war ich seit 2014 immer unterwegs. Die Routine hatte ich also schon vorher, und ich habe das Thema sehr ernst genommen. Es gab damals Momente, in denen ich dachte, dass die Reisen wirklich zu viel sind. Aber ich habe diesen verrückten Trick: Ich spreche dann zu mir selbst im Spiegel – das rate ich auch anderen Menschen. Es kann sehr hilfreich sein, sich selbst daran zu erinnern, was man will und was die wahren Ziele sind. Nicht einer momentanen Stimmung zu erlauben, den größeren Plan zu unterlaufen, sondern seine Stärke zu spüren. Auftritte nach einer schlaflosen Nacht, nach einem langen Flug, mit Jetlag – das habe ich alles erlebt und weiß, wie ich in diesen Situationen mit mir selbst umgehen kann. Es geht nur, wenn man es unbedingt will. Motivation und Ehrgeiz spielen da eine große Rolle. Was das Üben unterwegs angeht, nehme ich meine Noten immer im Handgepäck mit. Mentales Üben ist ohnehin bei mir ein fester Teil der Routine – es hilft mir sehr, und ich nutze unterwegs die Möglichkeit dazu. Und dann gibt es noch eine Sache: Wenn man sechs mal im Monat irgendwohin reist, hat es ja keinen aufregenden oder spaßigen Charakter mehr. Ich hatte die Prozedur zeitweise ziemlich satt – was nicht die Konzerte betrifft, auf die ich mich immer freue. Aber dann habe ich mir gesagt: OK, wann hast Du schon mal im Alltag die Gelegenheit dazu, vier oder fünf Stunden irgendwo zu sitzen und etwas zu machen, wozu Du sonst nicht kommst – einen Haufen Bücher zu lesen zum Beispiel. Seitdem habe ich gelernt, die Zeit viel besser für mich selbst, für mein eigenes Vergnügen zu nutzen.
Neben den vielen Rezitalen bist Du auch immer öfter mit Orchestern zu erleben. Im Rezital hat man als Pianistin ja die gesamte Gestaltung der Werke in den eigenen Händen. Wie ist es für Dich, wenn plötzlich ein Partner – ein Orchester, ein Dirigent mit eigener musikalischer Agenda – dazu kommt?
Das allerwichtigste ist, sich zuerst mit dem Dirigenten alleine zu treffen – das Stück durchzuspielen, darüber zu sprechen und zu entscheiden, was man wie macht. Denn natürlich sollten sich, wenn das Orchester schon dasitzt, Dirigent und Solistin über die Interpretation weitgehend einig sein.
In Kritiken wurde Deine Fähigkeit, gemeinsam mit dem Orchester zu musizieren, Dein Fokus auf das Zusammenspiel, besonders gelobt.
Das Orchester hilft mir, es ist für mich da. Ich reagiere wirklich allergisch auf dieses Spiel nach dem Motto „ich bin die Solistin, folgt mir einfach.“ Meine Güte, das funktioniert doch nie! Man muss gemeinsam musizieren – wir dienen ja der gleichen Sache, dem Stück.
Interview: Nina Rohlfs, 2017