Ohne Licht gäbe es kein Dunkel, ohne Dunkel kein Licht. Dieser
Dualismus verdeutlicht den Puls des Lebens schlechthin und hat in der
Kulturgeschichte unzählige Werke inspiriert. Der weltweit auch als
Komponist und Leiter des Festivals von Aix-en-Provence bekannte Organist
Bernard Foccroulle arbeitet
mit Künstlern der unterschiedlichsten Sparten zusammen. Mit der Videokünstlerin Lynette Wallworth widmet er sich Licht und
Dunkel in Musik und Natur.
Hell und dunkel, ein Orgelwerk der Komponistin Sofia
Gubaidulina, dient dabei gleichzeitig als Eröffnung und thematische
Inspiration für das Programm, das aus einer Kombination von Barockmusik
(Buxtehude) und Musik des 20. Jahrhunderts (u.a. Messiaen und Hosokawa)
besteht. Diese Werke führen die Zuhörer mitten hinein in den tief im
theologischen Denken des Barock verankerten Gegensatz, der durch
Jahrhunderte hindurch zahlreiche Motive und Strömungen der
Orgelliteratur geprägt hat.
Lynette Wallworth sagt dazu: "Bei der Konzeption von Darkness and Light hat mich die Verwendung
bestimmter Wiederholungen geometrischer Bildelemente in der Höhlenkunst
interessiert, von der angenommen wird, dass sie in Trancezuständen
entstanden ist. Einige Ethno-Anthropologen sind der Meinung, dass dies
den Ursprung der eigentlichen visuellen Kunst darstellt. Die Intensität
der Finsternis und die Wirkungen, die es in der daraus resultierenden
Bilderwelt hervorruft, sind es, die ich bei Darkness and Light
erforsche. Dies scheint wunderbar zur Auswahl der Stücke zu passen, die
Bernard Foccroulle für das Programm ausgewählt hat, welches in Kirchen,
Kathedralen und Konzerthallen aufgeführt werden soll, wo die Idee der
Transzendenz im Zentrum steht."
Auch für die Gegensätzlichkeit von Tag und Nacht, Lebendigkeit und Zerstörung, Freude und Terror kann das Begriffspaar "dunkel
und hell" stehen. In Gubaidulinas Leben und Werk beispielsweise lassen sich
Licht und Dunkelheit als Hoffnung und Verzweiflung unter einem
totalitären Regime interpretieren.
Lynette Wallworths Videokunst vermag an diese Aspekte leicht
anzuknüpfen und fügt noch eine weitere Facette hinzu: Eng verbunden mit
den Zyklen der Natur erforscht die Australierin in ihren Arbeiten das
Licht ebenso wie den Einfluss der Dunkelheit auf das menschliche
Erleben. Ihre die Musik begleitenden zeitgenössischen Bildwelten
vereinigen sich mit dem Klangerlebnis, und das Pulsieren der Gegensätze
lässt sich als ein Schatz wahrnehmen, den es zu erhalten gilt. Somit
mahnen Lynette Wallworth und Bernard Foccroulle mit Darkness & Light
auch vor der Zerstörung der Natur, die den Rhythmus allen Lebens
bestimmt.
Nina Rohlfs, 04/2012