karsten witt musik management begleitete die Planungsphase des neuen Saals für Jekaterinburg mit der Organisation eines Symposiums, in dem unter anderem Christoph Lieben-Seutter und Matthias Naske, moderiert von Karsten Witt und Per Erik Veng, über die Anforderungen an und Chancen durch den Bau diskutierten.
Schon bald rücken in Jekaterinburg schwere Maschinen an: Bis zum Jahr 2025 soll der neue Konzertsaalkomplex der Swerdlowsker Philharmonie, Heimstätte des Ural Philharmonic Orchestra, des Ural Jugendsymphonieorchesters und des Philharmonischen Chors Jekaterinburg, nach einem Entwurf des Londoner Büros der 2016 verstorbenen Stararchitektin Zaha Hadid fertig werden. Die Pläne integrieren das historische Gebäude der Philharmonie mit ihrem großen und kleinen Saal und erweitern es um einen imposanten Neubau. In dessen Konzertsaal sollen 1600 Zuhörer Platz haben und ein multifunktionaler Kammermusiksaal wird 350 Sitze umfassen.
Mit dem Komplex möchte man gleichzeitig einen der akustisch und architektonisch besten Konzertsäle in Russland schaffen und, mit Hilfe einer klugen räumlichen Infrastruktur, den gesellschaftlichen Kulturauftrag noch umfassender erfüllen: Durch Educationprojekte, internationale Kooperationen und multikulturelle Jugendprogramme humanistische Werte zu vermitteln, verschiedenen Gruppen eine kulturelle Plattform zu bieten und ein aus allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten zusammengesetztes Publikum anzusprechen – das ist in Jekaterinburg schon jetzt nicht nur hehres Lippenbekenntnis, sondern gängige Praxis. So sorgt man beispielsweise seit Jahren dafür, dass musikbegeisterte Bewohner der Oblast Swerdlowsk durch Live-Videoübertragungen aus der Philharmonie in die Kulturzentren und Bibliotheken der Region kostenlos und gemeinschaftlich am Konzertleben teilhaben können. Solche Aktivitäten werden nicht zuletzt durch ein eindrucksvolles Netzwerk ermöglicht, das sich die Philharmonie aufgebaut hat: Ihr Freundeskreis umfasst 24.000 Mitglieder.
Ehe demnächst also in Jekaterinburg sehr viel Erde bewegt wird, hat sich die kulturelle Landschaft rund um das Ural Philharmonic Orchestra schon längst in Bewegung gesetzt. Mit im Zentrum dieser Entwicklung steht Dmitry Liss, der 2020 sein 25. Jubiläum an der Spitze des Ural Philharmonic Orchestra feiert. Unter seiner Leitung ist das Orchester zum erstklassigen Klangkörper gewachsen, dessen internationale Vernetzung sich nicht nur in einer regen Tourneetätigkeit, sondern inzwischen auch in gewachsenen Partnerschaften spiegelt: Seit langem ist das UPO beispielsweise als Partner des Festivals Folle Journée regelmäßig in Nantes und bei der internationalen Ausgabe des Festivals unter anderem in Tokio eingeladen, und inzwischen richtet man in Jekaterinburg eine eigene Folle Journée mit prominenten Gästen aus. Auch das 2019 zum fünften Mal stattfindende Eurasia Festival hat internationale Ausstrahlung. Ab Ende November sorgen herausragende Musiker wie Pierre-Laurent Aimard, Julia Lezhneva, das GrauSchumacher Piano Duo und Mikhail Pletnev mit dem Russischen Nationalorchester für besondere Konzerterlebnisse; gleich zum Auftakt wartet das Festival mit der russischen Erstaufführung von Hans Werner Henzes Floß der Medusa auf.
Die Vehemenz, mit der sich die Philharmonie Swerdlowsk als international bedeutendes Konzertzentrum auf die Landkarte setzt, beeindruckt besonders angesichts der Tatsache, dass Jekaterinburg bis 1991 zu den sogenannten „geschlossenen Städten“ zählte. Dass in dieser Zeit das städtische Kulturleben außerhalb der Millionenmetropole so gut wie unbekannt blieb, werden sich in einigen Jahren die Besucher der neuen Philharmonie wohl kaum noch vorstellen können.
Nina Rohlfs, 12/2018