Kurz vor ihrem Konzert beim Musikfest Berlin 2016, bei dem das GrauSchumacher Piano Duo Ferruccio Busonis Gesamtwerk für zwei Klaviere präsentierte, erzählte uns das Duo, warum Busoni in den heutigen Konzertsälen unterrepräsentiert ist und wie er zu Beginn des 20. Jahrhunderts die musikalischen Grenzen auslotete.
2016 wird Ferruccio Busonis 150. Geburtstag feierlich begangen. Zu seiner Zeit war der italienisch-deutsche Pianist, Komponist und Essayist weltweit für seine unübertroffene Meisterschaft am Klavier bekannt. Gerade für Pianisten hat Busoni bis heute eine große Bedeutung: seine Klavierkompositionen sind künstlerisch und technisch extrem anspruchsvoll und stellen auch für Künstler auf höchstem Niveau eine echte Herausforderung dar.
In seinen Kompositionen versuchte Busoni einen Mittelweg zu finden zwischen der zukunftsweisenden Moderne von Zeitgenossen wie Arnold Schönberg und Kompositionstechniken wie dem Kontrapunkt der großen Meister der Vergangenheit, insbesondere Bach. Busonis Musik hat den Ruf, komplex, dicht, fast ausladend zu sein. Für das GrauSchumacher Piano Duo „ist Busoni im heutigen Konzertbetrieb unterrepräsentiert, was daran liegen mag, dass er als universales Genie nicht ohne weiteres einzuordnen ist.“
Andreas Grau und Götz Schumacher stellen sich dieser Auffassung mit einem neuen Programm entgegen, das Busonis Gesamtwerk für zwei Klaviere präsentiert. Nach Auftritten beim Busoni Festival in Bozen und dem Klavierfestival auf Husum im August, wird das Duo das Programm auch im Rahmen des Musikfestes Berlin am 4. September vorstellen.
Die beiden Klaviervirtuosen sind für klug zusammengestelltes Repertoire bekannt. Dieses Programm entwickelte Busoni jedoch selbst. „In seinen Schriften spricht Busoni von diesem durchkomponierten Programm, das sein Gesamtwerk für zwei Klaviere umfasst“, sagt Andreas Grau. Busoni hat es nie selbst gespielt und es wurde selten aufgeführt – obwohl es, betont er „vor Jahren eine Einspielung, damals noch auf LP, des Schweizer Duos Isabel und Jürg von Vintschger gab.“
Busoni konzipierte diese Arbeit nachdem er die Transkription von Mozarts Fantasie für eine Orgelwalze abgeschlossen hatte. Er sah die Möglichkeit, dieses Stück mit seiner Bearbeitung von Mozarts Duettino concertante zu verbinden, um eine neue Sonate entstehen zu lassen. „Dabei fungiert die Fantasie für eine Orgelwalze mit ihren kontrastierenden Teilen als 1. und 2. Satz, das Duettino concertante, wie auch im Original des Klavierkonzerts KV 459, als virtuoser und brillanter Abschluss“, erklärt Andreas Grau. Busoni umrahmte diese neu zusammengestellte Sonate mit zweien seiner von Bach inspirierten Improvisationen, darunter seine berühmte Fantasia contrappuntistica in der überarbeiteten Fassung für zwei Klaviere.
Für das GrauSchumacher Piano Duo verdeutlicht das Programm die Vielfalt der von Busoni verwendeten Kompositionstechniken. „Es ist faszinierend, die Spannbreite zu sehen. Sie reicht von der eng am Original orientierten Übertragung wie beim Duettino concertante, das durchaus als originales Mozartwerk durchgehen könnte, bis hin zur fast kompletten Neuschöpfung, wie bei der Fantasia contrappuntistica, die Bachs Musik in die Sphäre des 20. Jahrhunderts führt.“
Das Programmkonzept offenbart für das Duo außerdem den von Andreas Grau so bezeichneten `visionären Geist` Busonis. „Es ist immer reizvoll, Kompositionen aus dieser Zeit zu spielen, deren Schöpfer gleichzeitig auch kongeniale Interpreten ihrer eigenen Werke waren. Da steht Busoni in der Tradition Franz Liszts, der seine Werke auch für den eigenen Gebrauch bearbeitete. Die Frage nach Original, Interpretation und Transkription stellt sich in diesem Zusammenhang ganz neu.“
Viele Werke Ferruccio Busonis sind transkribierte oder überarbeitete Versionen bereits existierender Musik und sind als Hommage an die großen Komponisten der Vergangenheit zu verstehen. Dies und die Tatsache, dass Busoni viele seiner Werke speziell für die eigene Aufführung schrieb, führten dazu, dass Busonis Schaffen in keine Schublade passt.
Mit diesem Programm zielt das GrauSchumacher Piano Duo darauf ab, die heutige Rezeption Busonis ins Gleichgewicht zu bringen. Dies bezwecken auch eine Reihe von Institutionen, die zu Busonis Jubiläum Konzerte und Ausstellungen ausrichten. Das Konzert des Duos wird anlässlich der Ausstellungseröffnung BUSONI. Freiheit für die Tonkunst! in der Kunstbibliothek Berlin stattfinden.
Im Mittelpunkt dieser Ausstellung steht der Busoni-Nachlass der Staatsbibliothek zu Berlin. Er umfasst unter anderem Notenmanuskripte, Programme und Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten sowie Briefe, die Busoni mit bedeutenden Zeitgenossen wie Arnold Schönberg, Stefan Zweig und George Bernard Shaw wechselte. Es sind auch Arbeiten von Künstlern zu sehen, die für Busoni wichtig waren, wie beispielsweise Pablo Picasso.
Diese Ausstellung sowie das Eröffnungskonzert des GrauSchumacher Piano Duos sollen in seinem 150. Geburtsjahr ein nuanciertes Bild von Busoni zeichnen. Er war nicht nur ein Virtuose am Klavier und ein Komponist, der sich der Musik seiner Vorfahren verpflichtet fühlte, sondern auch ein radikaler Visionär, der von einer neuen Art von Musik träumte und unser Bild eines `klassischen` Komponisten in Frage stellt.
Ferruccio Busoni mag in heutigen Konzertsälen wenig gespielt werden, aber das GrauSchumacher Piano Duo hofft, „dass die Jubiläen 2016 und 2024 “ – 2024 ist sein 100. Todestag – „helfen werden diese faszinierende Musik einem breiteren Publikum näher zu bringen.“
Sam Johnstone, 08/2016 | Übersetzung: Wiebke Fuhrmann-Klemmer