Im Vorfeld der Uraufführung von Luca Francesconis Konzert für zwei Klaviere und Orchester Macchine in Echo gab Götz Schumacher im Sommer 2015 Auskunft über das neue Werk, über Uraufführungen der letzten Jahre und über die Vielfalt ästhetischer Strategien in Orchesterkonzerten – von Bach bis Berio und von Mozart bis Manoury.
Mitten in der Vorbereitung der Uraufführung des Werkes, die das Duo mit dem WDR Sinfonieorchester Köln unter der Leitung von Peter Rundel realisieren wird, zeigt sich Götz Schumacher begeistert von der Schöpfung des Italieners. „Das ist ein sensationelles Stück“, sagt er. „Diese Musik hat eine Intensität und Stärke, die kaum auszuhalten ist, so voll und komplex erscheint sie mir. Trotzdem ist sie transparent, durchhörbar. Es gibt unglaubliche Spielfiguren, die eine hohe Pianistik verlangen, die aber auch entsprechend virtuos klingen.“ In einem kurzen Einführungstext zu seinem neuen Werk beschreibt Luca Francesconi die Faszination, die das Klavier für ihn birgt – als Instrument an sich und erst recht in der Potenzierung seiner Möglichkeiten im Duo und in der Begegnung mit dem Orchester: „Hämmer, Spiegel, Schläge, konzentrische und rückläufige Bewegungen, Multiplikationen und Umkehrungen von Raum, Harmonie, Geräusch und Rhythmus. Rotation, Duell, Resonanz, Extreme. Zwei Klaviere haben eine beängstigende Macht.“
In der Tat erscheint das Klavier als Instrument, das alles kann, das sogar ein ganzes Orchester in seiner Vielstimmigkeit abzubilden vermag. Wie gehen nun Komponisten mit den immensen Möglichkeiten um, die entstehen, wenn zwei dieser Instrumente zur Verfügung stehen – und dazu noch ein volles Sinfonieorchester? „Es gibt da die unterschiedlichsten Herangehensweisen. Bei Mozart zum Beispiel ist das Dialogische extrem ausgeprägt“, erklärt Götz Schumacher. „Dort gibt es ein ständiges Hin und Her zwischen den Instrumenten: Die eine Phrase beendet das eine Klavier, das andere beginnt die nächste, es spielt sie ganz zu Ende, dann antwortet das andere in einer anderen Oktave. Als Gegenbeispiel dazu kann man Bartók oder Eötvös nennen, die von einem einheitlichen Klavierklang ausgehen und die beiden Klaviere praktisch als Doppelinstrument benutzen.“ Auch in Bezug auf die Rolle des Orchesters beobachtet der Pianist viele Lösungen: „Bach überträgt dem Orchester eine zusätzliche Farbe, wenn es seine Tutti spielt. Später, bei Bernd Alois Zimmermann oder Luciano Berio, ist das Orchester nicht mehr nur als Masse da, sondern auch als eine Gruppe von Individuen – es gibt Dialoge zwischen den Klavieren und einzelnen Instrumenten. Und spätestens von da an werden die Möglichkeiten überbordend vielfältig.“
Andreas Grau und Götz Schumacher widmen sich seit vielen Jahren der Aufgabe, den Schub, den das Repertoire für zwei Klaviere durch die Brüder Kontarsky in den 50er, 60er und 70er Jahren bekam, neu aufleben zu lassen, und auch die Meilensteine jener Zeit fest im Konzertsaal zu verankern. Neben zahlreichen Uraufführungen haben die Pianisten fast alle wichtigen Werke für zwei Klaviere und Orchester auf CD eingespielt, darunter die Konzerte von Zimmermann, Berio, Rihm und Veress. Noch in diesem Herbst wird der dritte Teil ihrer in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und Deutschlandradio Kultur entstandenen Reihe Concerti erscheinen. Auf den ersten beiden CDs der Serie finden sich Konzerte von Mozart, Bartók, Bach und Strawinsky ebenso wie die vom Duo angeregte und vom Komponisten Stefan Heucke realisierte Version von Liszts Concerto pathétique für zwei Klaviere und Orchester. Der dritte Teil der Reihe, der auch Francis Poulencs Konzert für zwei Klaviere beinhaltet, präsentiert Repertoire aus dem 20. Jahrhundert und weitere Belege dafür, dass die meisten Komponisten die von Götz Schumacher beschriebenen „überbordenden Möglichkeiten“ keineswegs zu bombastischen Materialschlachten nutzen. Auf ganz individuelle Weise verfährt der kanadische Komponist Colin McPhee, dessen Konzert sich ebenso wie das von John Adams auf der neuen CD findet. „Colin McPhee lässt ein balinesisches Klangbild entstehen“, beschreibt Götz Schumacher. „Wir werden sozusagen in eine Gamelan-Rolle gebracht. Die Klaviere fügen sich in den Klangapparat des Gesamtorchesters, sind aber vor allem mit den Mallets eng verwoben. Bei Adams gibt es wiederum eine ganz andere Aufgabe: Eingebettet in seine Minimal Art entwickelt er für die beiden Klaviere einen virtuosen Gestus und zitiert dabei fast beethovensche Klangkaskaden. Die großen Flügel erscheinen ihm im Traum als zwei Cadillacs, die auf dem Highway entlang fahren und einen Klangrausch entwickeln.“
Dass für die meisten Komponisten das Klavier ein sehr vertrautes Instrument ist, das sie in ihrer täglichen Arbeit benutzen und teils ausgezeichnet beherrschen, kommt laut Andreas Grau und Götz Schumacher dem Repertoire sehr zugute. „Diese Freude am Spielen spürt man zum Beispiel sehr stark bei Philippe Manoury, der ja selber ein bestens ausgebildeter Pianist ist. Man merkt dem Part an, wie gut er für Klavier geschrieben ist“, sagt Götz Schumacher. Auch der Komponist selbst, der ebenso wie Peter Eötvös und Jan Müller-Wieland dem Duo in den letzten Jahren ein Klavierkonzert widmete, zeigt sich von der Zusammenarbeit begeistert: „Wie die beiden direkt in die Musik eingetaucht sind, ohne zunächst technische Fragen stellen zu müssen, das schätze ich sehr. Natürlich kann ich solche Fragen beantworten, aber wenn nicht gleich am Anfang dieser musikalische Funke überspringt, in dem sich die Musik unabhängig von den technischen Mitteln ausdrückt, dann geht etwas verloren. Mit dem Duo war alles sofort ganz klar.“ Götz Schumacher beschreibt das Werk von Philippe Manoury als „hochvirtuos, spektakulär, knapp, mit einer unbändigen Energie. Diese Freude an der Pianistik ist eine Entwicklung, die wir jetzt auch bei Francesconi wiederentdecken – die Lust daran, das Potential des Klaviers bis zum Letzten auszunutzen. Die Virtuosität ist praktisch wieder zurückgekehrt.“
Nina Rohlfs, 09/2015