Waren seine Werke nach Fukushima schon durch Trauer über menschlichen Verlust und die Zerstörung unserer Umwelt geprägt, so geht diese Oper entschieden weiter. Sie stellt nicht nur ein großes Klagelied, sondern eine entschiedene Anklage gegen das allmähliche Verschwinden des Lebens auf unserem Planeten dar. Natasha und Arato werden in der gut zweistündigen Oper mit den realen Höllen unserer Zeit (sterbende Wälder, Fluten, ungebremstes Wachstum, Plastikmüll, Waldbrände…) konfrontiert, die sie zur Verzweiflung bringen. Im Laufe ihrer gemeinsamen Wanderung entsteht aber auch eine Liebesbeziehung zwischen den beiden. Erst als sie zur Ruhe kommen – in der Stille – keimt Hoffnung auf. Die Oper endet mit einem Bild, in dem am Ende eines langen Tunnels Licht zu erahnen ist.
Das Werk nutzt alle verfügbaren Ausdruckmittel: Atmen, Sprechen (in verschiedenen Sprachen), Geräusche (auch elektronisch erzeugt), Blechbläser im Saal, und natürlich ist Hosokawas Musiksprache sofort erkennbar. Aber diesmal wird auch Tonalität einbezogen. Der Gesang erinnert an manchen Stellen an Schubert, es gibt einen Mahler-Moment, und am Schluss erklingt (ähnlich wie in Bernard Foccroulles erster Oper Kassandra, in der es ebenfalls um unseren Umgang mit der Umweltzerstörung geht) Bach.
Das Publikum des New National Theatre, das von zeitgenössischer Oper sonst weitgehend verschont bleibt (die einzige „moderne“ Oper der nächsten Saison ist Wozzeck), zeigte sich tief berührt. Bei dem anschließenden, rund einstündigen Gespräch zwischen dem Dirigenten Kazushi Ono, dem Regisseur Christian Räth und Toshio Hosokawa blieben das gesamte Parkett und der erste Rang voll besetzt.
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Für die FAZ berichtete Max Nyffeler über Natasha und befand: "Musik und Inszenierung verschmolzen zu einer Einheit. Und was nicht zu unterschätzen ist: Man erlebte den seltenen Fall eines zeitgenössischen Bühnenwerks, das in keinem Moment Langeweile aufkommen ließ."
Einen Werktext von Toshio Hosokawa zu seiner neuen Oper finden Sie hier in unserem Magazin.