Kaum ein Werk in der Musikgeschichte fordert eine größere Orchesterbesetzung als Olivier Messiaens 1983 uraufgeführte einzige Oper. "Es gibt eine sehr große Streicherbesetzung, ganz viele Bläser, ein großes Schlagzeugarsenal und dann die Spezialinstrumente von Messiaen, die drei Ondes Martenot. Das sind Prototypen von elektronischen Instrumenten", erklärt Titus Engel, der Saint François d’Assise bei den fünf Aufführungen am 11., 22. und 25. Juni sowie 2. und 9. Juli leitet. Bariton Michael Mayes singt dabei die höchst anspruchsvolle Titelpartie; die Rolle des Engels wird von der Sopranistin Beate Ritter übernommen.
"Weil wir einen ganzen Tag, einen Erlebnistag für dieses Werk schaffen wollen, haben wir uns verschiedene Orte überlegt - dadurch auch verschiedene Klangorte, damit man diese Musik auf ganz verschiedene Weise sieht und hört und wahrnimmt", fährt Titus Engel fort. In der Regie von Anna-Sophie Mahler und mit einem gewaltigen Aufgebot von über 200 Sänger:innen und Musiker:innen begibt sich die Inszenierung also im Wortsinn auf neues Terrain. Nach dem ersten Teil im Opernhaus geht es - mit bis zu 1400 Zuhörer:innen im Schlepptau - weiter mit der U-Bahn und zu Fuß. Höhepunkt ist die Vogelpredigt im Freilufttheater auf dem Killesberg, bei der zu erwarten ist, dass auch echte Vögel mitmusizieren, neben den vielen vom ausgewisenen Ornithologen Messiaen einkomponierten Vogelrufen.
Dass ein Opernhaus für den Besuch einer Vorstellung eine Packliste für das Publikum erstellt, ist sicher ungewohnt, aber hier durchaus angebracht: Sonnenschutz, Proviant, Regenjacke, geeignetes Schuhwerk werden sich als nützlich erweisen für den achtstündigen Pilgertag, bei dem rund viereinhalb Stunden auf die eigentliche Aufführung der Musik entfallen. Das Team der Staatsoper Stuttgart führt das Publikum in Gruppen mit Begleiter:innen durch den Tag und bietet auch mobilitäseingeschränkten Menschen passende Transporte an.
Ohnehin sind Olivier Messiaens Szenen über den Heiligen Franziskus von Assisi keine Oper im gewöhnlichen Sinne. Ohne eine stringente Handlung ist das Werk eine überwältigend klangfarbenreiche Annäherung an den Heiligen. "Die fortschreitenden Stadien der Gnade in der Seele des heiligen Franziskus" habe er schildern wollen, sagte Messiaen selber zu dem Werk, das in Stuttgart bisher noch nicht zu sehen war.
Bei aller Opulenz hat sich das Opernhaus besonders in dieser Produktion rund um den in selbst gewählter Armut lebenden Heiligen, der den Verzicht predigte, der Nachhaltigkeit verschrieben. Bereits im Vorfeld wurde im Rahmen von partizipativen Aktionen zum Spenden von Kapuzenpullovern aufgerufen, das Bühnenbild wird so weit wie möglich aus dem Fundus bestückt, der ÖPNV ist Kooperationspartner.
Staatsoper Stuttgart